Blumen, Gemüse

Bitte entschuldigen Sie meine Absenz

Es ist wieder diese Zeit im Jahr, in welcher der Garten nicht die kleinste Unpässlichkeit duldet. Zwei, drei Tage mit Fieber und Gliederschmerzen im Bett und schon erwartet dich das pure Chaos, wenn du dich – noch ganz geschwächt und mit zittrigen Knien – endlich wieder nach draussen schleppst.

„Sieh mal an, wer sich auch mal wieder blicken lässt“, höhnen die Nacktschnecken. „Die glaubt aber nicht im Ernst, sie könne uns noch beikommen, nachdem sie dreimal die abendliche Schneckenrunde hat ausfallen lassen. Die wird vielleicht Augen machen, wenn sie sieht, wie wir uns derweilen mit ihren Ritterspornen vergnügt haben …“

Die Blattläuse stimmen natürlich umgehend in den Spott ihrer Schädlingskolleginnen ein: „Die hat aber nicht im Ernst geglaubt, sie könne sich aus dem Staub machen, nachdem sie läppische 90 Marienkäferlarven ausgesetzt hat? Hat die wirklich gedacht, damit könne sie uns in Schach halten? Ist ja fast schon süss, wie naiv die ist.“

Im Gewächshaus werde ich von den Tomaten überschwänglich begrüsst: „Ach, wie haben wir dich doch vermisst! Schau mal, wir haben ganz viele kräftige Triebe wachsen lassen, während du weg warst.“ „Aber das solltet ihr doch nicht, ihr wisst, dass das nicht gut kommt“, tadle ich. „Aber warum denn nicht? Triebe wachsen lassen macht Spass. Sieh nur, wie hübsch der hier geworden ist, der trägt sogar schon Blüten. Und diesen hier musst du dir unbedingt anschauen, der ist fast so dick wie dein Daumen. Beeindruckend, was wir in so kurzer Zeit fertigbringen, nicht wahr?“, plappern sie unbeirrt weiter.

Seufzend zücke ich mein Messer und desinfiziere die Klinge. „Du willst doch jetzt nicht etwa unseren wunderschönen Trieben zu Leibe rücken?“, protestieren die Pflanzen. Doch genau das will ich natürlich, denn was die Guten während meiner Abwesenheit angerichtet haben, ist schlicht nicht tragbar. Damit sie nicht allzu traurig sind, verspreche ich hoch und heilig, auch diese Triebe zu bewurzeln und in Töpfe auszupflanzen – wie ich es bereits mit zehn anderen getan habe.

Hinter dem Haus lässt der orientalische Mohn seine schweren Köpfe hangen. „Wolltest mal wieder nicht auf Monty Don hören“, schimpfen sie. „Wie oft hat er schon gesagt, dass du die Stützen anbringen musst, bevor wir gross und üppig sind – schau bloss, was das gestrige Gewitter mit uns angerichtet hat.“

Auch der winzige Phlox, den ich im Winter gezogen habe, begrüsst mich mit einem Vorwurf: „Weisst du eigentlich, wie lange ich auf dich gewartet habe? Seit Tagen schon wollte ich dir meine allererste Blüte zeigen, aber du lässt dich nicht ein einziges Mal blicken. Ich habe ernsthaft mit dem Gedanken gespielt, zu verblühen.“

Nachdem ich mich bei dem armen Phlox, der zwar noch etwas kümmerlich, aber wunderschön ist, gebührlich für meine tagelange Absenz entschuldigt habe, bin ich leicht bedrückt. Wie soll mein Garten jemals so werden, wie ich ihn mir erträume, wenn die Dinge schon nach wenigen Tagen Abwesenheit derart aus dem Ruder laufen?

Gerade will ich ein Lamento anstimmen, da fällt mein Blick auf eine fette Marienkäferlarve. Es muss eine derjenigen sein, die ich letzte Woche ausgesetzt habe – und die in dieser kurzen Zeit am üppigen Blattlaus-Büffet offensichtlich kräftig zugelangt hat. „Mach dir bloss keine Sorgen“, sagt sie fröhlich, „wir haben die Sache ziemlich gut im Griff – auch wenn es im Moment noch nicht ganz danach aussieht.“

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s