Zum britischen Gartenlehrgang, den ich absolviere, gehört ein Forum, in dem sich online-lernende Gärtnerinnen und Gärtner aus aller Welt über die Dinge austauschen, die sie beschäftigen: Regierungsvorschriften im Zusammenhang mit Pestiziden, Ratschläge zum Kompostieren und zur Stecklingsvermehrung, Prüfungsangst, mysteriöse Schädlinge, die alles zerfressen, was ihnen in die Quere kommt, die Frage, ob Essig wohl als Unkrautvernichter taugen könnte, Schwierigkeiten mit dem Botanischen Latein …
Es ist ein wunderbar friedlicher Ort, dieses Forum. Ein Ort, an dem die Leute sich trauen, einander von ihren psychischen Problemen zu erzählen und wie ihnen das Gärtnern bei deren Bewältigung hilft. Ein Ort, wo sich Menschen finden, die sich dann im echten Leben zum gemeinsamen Lernen treffen. Ein Ort, an dem man so freundlich miteinander umgeht, dass selbst ich, die ich Onlineforen so gar nichts abgewinnen kann, immer mal wieder gerne mitlese. Eine ganz und gar heile Gartenwelt eben.
In diese heile Gartenwelt verirrte sich neulich einer, der sich von anderswo im Netz wohl einen etwas raueren Umgangston gewohnt ist. Und diesen Umgangston schlug er auch in einer Gesprächsrunde an, in der man sich in gepflegter Manier darüber unterhielt, wie mit dem schlechten Gewissen bezüglich der Rasenpflege umzugehen sei. Mehr Natur, mehr Raum für Kleinstlebewesen, weniger und benzinfrei Rasenmähen und erst recht keine Pestizide – das war der Grundtenor in der Runde, in die der Rüpel hineinplatzte.
Man solle sich als Rasenbesitzerin von der „woke brigade“ und den „daft lefties“ bloss nicht mobben lassen; wer ansonsten anständig mit der Natur umgehe, habe sich seinen manikürten Rasen redlich verdient, blaffte er die anderen an.
An anderen Orten im Netz hätte sich aus diesem Kommentar innert kürzester Zeit eine wüste verbale Keilerei entwickelt – hier aber nicht.
Er solle sich bitte in seinem Ton mässigen, hiess es in den Replies, so gehe man hier nicht miteinander um. Man respektiere ja seine Meinung, aber er solle die Rasenpflege nicht zu einem Politikum machen, das sei nun wirklich nicht der Ort für sowas. Eine Forumsteilnehmerin meinte, nachdem sie ihn sehr respektvoll in den Senkel gestellt hatte, er solle bitte nicht auf ihren Post antworten, sie werde seine Antwort ganz bestimmt nicht lesen. Einige outeten sich als überzeugte „daft lefties“ und stolze Mitglieder der „woke brigade“ – jedoch nur um zu betonen, sie hätten diese Überzeugung bis jetzt ja auch aus ihren Gartendiskussionen herausgehalten, der Rüpel solle daher mit seinen Gesinnungen gleich verfahren.

Bei so viel Widerstand kam der Rüpel natürlich nicht um eine Entschuldigung herum. Doch er hatte offenbar noch nicht ganz verstanden: Er entschuldigte sich so, wie man sich draussen in der rauen Online-Welt gemeinhin entschuldigt: „Sooo sorry, dass sich manche durch meine Aussage beleidigt fühlten, ABER …“
Damit kam er bei den Diskussionsteilnehmerinnen natürlich nicht an. Ob die Ablehnung, die ihm entgegenschlug, nur an seinem misslungenen Versuch einer Entschuldigung lag, weiss ich nicht. Vielleicht spielte da auch noch die Empörung mit, dass er sich in seinem Post einen bissigen Seitenhieb auf den Gartenheiligen Monty Don nicht hatte verkneifen wollen. Die Absolution wurde ihm auf alle Fälle verweigert, der Rüpel soll sich auch weiterhin zutiefst dafür schämen, dass er sich an diesem freundlichen Ort aufgeführt hat, als befände er sich irgendwo draussen im virtuellen Wilden Westen.
Nun, schämen wird er sich für sein Verhalten selbstverständlich nicht; wohl eher wird er sich anderswo ausheulen über diese verklemmte „woke brigade“, die ihm den Spass nicht gönnen wollte, nach seinen eigenen Regeln mitzuspielen.
Dies alles mag auf twittergestählte Leute vielleicht kleinkariert wirken, doch es war fast schon rührend, mit welchem Eifer hier für ein beleidigungsfreies Forum gekämpft wurde. Und dies natürlich vollkommen zu Recht: Zoffen muss man sich doch wahrlich nicht dort, wo herzensgute Idealisten sich redlich darum bemühen, diese Erde ein bisschen grüner und freundlicher zu machen – sondern dort, wo es fast schon unanständig wäre, den Mund zu halten.