Da sitzen wir nun also seit fast einem Jahr, wir sieben. Wie die meisten haben auch wir uns irgendwie arrangiert, haben ein paar neue Formen des Zusammenseins gefunden, kommen mit der Situation mal besser, mal schlechter klar. Es ist ein gegenseitiges Tragen und einander Ertragen, wie wir es in all den Jahren des Familienlebens noch nie erlebt haben.
So vieles von dem, was die Kinder sonst mit ihren Freundinnen und Freunden besprechen, kommt jetzt am Familientisch zur Sprache.
So mancher blöde Spruch, den man sonst nie und nimmer in Gegenwart der eigenen Mutter fallen lassen würde, kann nicht warten, bis Corona endlich vorbei ist. Also hört Mama halt mit – und kontert vielleicht mit einem Witz, den zu normalen Zeiten nicht mal die erwachsenen Kinder von ihr zu hören bekämen.
So viele grosse Fragen des Lebens, die wir Eltern gewöhnlich mit Freunden bei einem gemütlichen Abendessen erörtern würden, fliessen nun halt in die Gespräche mit den Kindern ein.
So manche Sorge, die sich im Alltagstrubel gewöhnlich überspielen lässt, liegt jetzt, wo jegliche Ablenkung fehlt, ganz offen auf dem Tisch – ja, genau auf dem Tisch, auf dem in den vergangenen Monaten doch tatsächlich auch ab und zu ein 1500-Teile-Puzzle lag, weil man sich ja irgendwie die Zeit vertreiben muss.
So viele Sonntage im neuen, ungewohnten Rhythmus, dass dieser schon längst zur neuen Gewohnheit geworden ist: mittags Brunch – nachmittags Spaziergang oder so tun, als hätte man nicht mitbekommen, dass einige spazieren wollen – abends Pasta fatta in Casa.

So zahlreich die Online-Einkäufe, dass alle allen zur Modeberatung werden. Zwischen den verschiedenen Stilen mögen zwar Welten liegen, doch Bruder, Schwester, Mutter oder Vater sind in ihrem Urteil wenigstens gnadenlos ehrlich.
So häufig am Abend noch das Bedürfnis, sich die Dinge von der Seele zu reden, die im veränderten Alltag nirgendwo sonst deponiert werden konnten.
So viele Zeiten, die gewöhnlich jede und jeder mit eigenem Programm füllt, die jetzt zu gemeinsamen Zeiten geworden sind.
So ausufernd die Diskussionen, weil jeder die Grenzen des aktuell Erlaubten etwas unterschiedlich interpretiert.
Elternsein, Erwachsenwerden, Teeniezeit, das alles ist anders als gewohnt. Intensiver, tiefschürfender, herzlicher, manchmal vielleicht auch enger, als es uns allen gut täte.
Ich bin zutiefst dankbar, dass wir einander haben und es fast immer irgendwie aushalten miteinander – und hundemüde, weil sich noch selten im den letzten zwanzig Jahren so viel Familienleben in einer solchen Dichte abgespielt hat.